Wetterflüchtlinge
Wetterflüchtlinge.
Ja, wir geben zu, dass wir Angst im eigenen Land hatten.
Wir fürchteten um unser Wohlbefinden.
Bereits im Dezember zeigte sich, dass die bedrohliche Kälte immer näher kam.
Tagelanger Regen, feuchte, klamme Kälte, die bis in die Knochen drang. Unser
Land verwandelte sich.
Die Regierung unternahm nichts dagegen. Sie sah es als normal an.
Wir nicht.
Der vormals blaue Himmel war immer mehr grau geworden.
Noch zögerten wir. Weihnachten stand vor der Tür. Vielleicht gab es noch
Besserung in diesem unserem Land.
Aber nein, auch das war nur ein Wunschdenken, denn kühler Nieselregen hüllte
uns ein, immer wenn wir das Haus verließen.
Wir stellten uns die Frage:
Was bietet uns dieses von Wetteranarchie
regierte Land noch?
Die Antwort war:
Nichts aber auch wirklich nichts.
Wir bereiteten unsere Flucht vor. Ein entsprechendes Fahrzeug hatten wir uns
bereits organisiert.
Freunde und Bekannte hatten wir bewusst belogen, wir brauchen es um Holz aus
dem Wald zu besorgen, um wenigstens ein paar warme Tage in diesem unser Land
in dieser kritischen Zeit zu erleben.
Heimlich packten wir das Nötigste ein und eines Morgens verschwanden wir in
Richtung Süden ohne Abschied.
Irgendwann kamen wir an ein großes Wasser. Gegen einen kleinen Obolus
brachte man uns mit einem Boot auf einen anderen Kontinent.
Dieses Land erstaunte uns sehr, da es sehr fremdländisch war. Aber ein
mattes Blau war hier bereits am Himmel zu sehen.
Wir fragten uns durch und die Menschen erklärten uns, dass hinter den
Bergen, die sie Atlas nannten, uns die Ängste genommen würden.
Dort strahle die Sonne und es sei warm und angenehm dort.
Keine Bedrohung mehr durch Kälte und Nässe wie in unserer Heimat.
Wir kletterten über den Berg und erlebten die wohlige Freiheit mit Sonne und
Wärme.
Andere hatten auch die Flucht gewagt.
Zumeist sahen wir sie, kleine Ghettos
auf Plätzen bildend, mit ihren umgebauten weißen Tupperdosen, in denen sie
hausten.
Ängstlich, da ihnen das Land hier doch so fremd war, kuschelten sich viele
um eine große Mutter-Tupperdose mit der Aufschrift –Organisation-.
Ob es sich hierbei um eine staatlich akzeptierte Schlepper Aktion handelte
blieb uns unklar.
Wir fühlten uns in dem fremden Land wohl. Die Menschen waren freundlich aber
auch anders.
Sie tolerierten uns als Gast, auch wenn einige von uns noch nicht mal ihre
Kleiderordnung akzeptierten und durch das herumlaufen mit Shirts und kurzen
Hosen Befremdung und Kopfschütteln hervorriefen.
Kein grauer Himmel, kein nieselnder kalter Regen.
Aber auch keine Currywurst, kein Bier und schon gar nicht Eisbein mit
Sauerkraut gab es hier.
Nur so aus gelangweiltem Interesse lasen wir nach einigen Wochen die
Nachrichten aus unserem Heimatland.
Gierig nahmen wir auf, dass das von uns als so bedrohlich angesehen
Wetterchaos sich gebessert habe.
Die Regierung hatte scheinbar endlich gehandelt.
Der Frühling sei in unserem Land eingetroffen. Besserung sei überall
feststellbar.
Wir sahen vor unseren Augen grüne Wiesen mit gelben und blauen Blumen
und.....Bier und Currywurst.
Das Heimweh trat langsam schleichend ein.
Immer wenn wir unseren Standort änderten, fuhren wir ein Stück weiter nach
Norden.
Auch half uns das Wetter hier in unserem Gastland.
Es wurde wärmer und wärmer bis nahezu ungemütlich heiß. Wieder sahen wir uns
bedroht in unserem Wohlbefinden.
Nun da sich alles in unserem Land dem besserem zuwandte, hielt uns nichts
mehr hier in diesem schönen aber uns doch fremd gebliebenen Land.
Die Einheimischen füllten uns unsere Tanks randvoll, damit wir die Heimat
erreichten konnten und verabschiedeten uns freundlich.
Bis im nächsten Jahr wenn wir wieder schlotternd vor Kälte an ihrer Grenze
auftauchen.
Inschallah
Peter und Conny